Das Alumni Magazin des Studiengangs Druck- und Medientechnik


ANALOG TRiFFT DiGiTAL

Die kreative Renaissance der Generation Z

Von analogen Fotografiestrecken über Skate-Videos, festgehalten mit Camcordern, bis hin zu Ghetto-House-Klängen aus Vinylplatten an einer Samstagnacht im Humboldthain: Was sich anhört wie ein Zeitsprung zurück in die Jugend unserer Eltern, ist auch heute noch Teil der Jugendkultur – oder wieder, speziell in der Generation Z. Zwischen den neuesten TikTok-Trends und Content Creator*innen entsteht eine weitere Szene, die sich den analogen Medien zuwendet.

Gen Z im Gespräch: vom Analogen zum Digitalen – und zurück

Um sich diesem Thema zu nähern, bietet es sich an, mit jenen begeisterungsfähigen Menschen zu sprechen, deren Passion sich in analogen Ausdrucksformen widerspiegelt. Dazu wurden verschiedene kreative Köpfe aus Berlin interviewt, die alle in unterschiedlichen Bereichen des künstlerischen Schaffens tätig sind. Alle sind zwischen 23 und 25 Jahren alt – eindeutig Generation Z. Sie alle nutzen analoge Medien, sei es als private Leidenschaft oder als berufliche Ergänzung zum Digitalen.

Und noch eine Gemeinsamkeit eint sie: die Begeisterung, analoges mit digitalem zu kombinieren und so ein „best of both worlds“ zu schaffen. Sie teilen spannende Ansichten, unterschiedliche Beweggründe und zeigen einmal mehr, wie facettenreich sich Kreativität entfalten kann.

 

Von Vinylplatten bis zu eigenen Events: im Gespräch mit DJ & Producer Smau

In Charlottenburg wohnt Samu (23), alias Smau. Er studiert Soziale Arbeit und seine Leidenschaft ist die Musik. Er begann 2018/2019 mit dem DJing und entwickelte schnell großes Interesse am Auflegen und Sammeln von Vinylplatten. Zudem produziert er Musik, arbeitet momentan an seiner ersten EP und organisiert regelmäßig mit Freund*innen Events unter dem Namen „Not in my House“. Ihr musikalischer Fokus liegt vor allem auf 90er-inspiriertem House mit Disco- und Jazzelementen.

Smau hatte durch seinen Freund*innenkreis erste Berührungspunkte mit dem Auflegen von Vinyl gesammelt und entschied sich daher für diese analoge Ausdrucksform.

Zu der Frage, ob er in seiner Generation eine Rückbesinnung auf analoge Medien beobachtet, ist er jedoch zwiegespalten:


(…) Außerdem hat das Auflegen von Vinyl auf jeden Fall ein besonderes Standing in der DJ-Szene. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Vinyl auch als eine Art Statussymbol oder Realness Faktor gesehen oder genutzt wird“

„Klar, Vinyl hat einen ganz besonderen Reiz und macht echt Spaß. Aber man muss auch ehrlich sein: Das Ganze ist nicht gerade günstig. Allein Plattenspieler und eine ordentliche Sammlung aufzubauen, da musst du schon echt tief in die Tasche greifen. Ich finde es gut, sich auf alte Sachen zu berufen, aber ich finde man sollte sich nicht den neuen Möglichkeiten versperren.“

Smau betont, dass dank digitaler Technologien heutzutage viel mehr Menschen DJing ausprobieren können – etwas, das früher oft unerreichbar war. Gleichzeitig sieht er in seinem Umfeld einen Trend zurück zu Vinyl, möglicherweise als Reaktion auf die digitale Zugänglichkeit, die Vinyl wieder zu etwas Besonderem macht.

 

Wie beide Welten harmonieren: im Gespräch mit Visualist Nico

Nico (24), ist Visualist aus Marienfelde und widmet sich mit Leidenschaft der Videografie als Editor und Colorist. Doch ihm ist der visuelle kreative Ausdruck wichtiger als das Medium selbst. Daher experimentiert er nebenbei auch mit analoger Fotografie, erstellt Fotobücher und andere Kunstwerke.

Nico fasziniert an analogen Medien vor allem die „schwer zu beschreibende Textur und Farbigkeit, die durch die physikalischen Prozesse entstehen, wenn die Filmemulsion mit Licht reagiert. Sie lassen das Bild sehr organisch, haptisch und balanciert wirken.“

Er zieht seine Inspiration auch aus dem Wunsch, den analogen Charme digital zu replizieren:

„Dann könnte man diesen Look auch ohne die immensen Kosten, die durch das Drehen auf echtem Film entstehen, nutzen.“

Fotobücher haben für den Visualist einen zeitloseren Charakter als digitale Werke. Die Haptik ermöglicht ein bewussteres Wahrnehmen von Kunst, verglichen mit dem Betrachten eines PDFs auf einem Bildschirm.

Nico meint, dass analoge Ausdrucksformen für die Generation Z spannend sind, weil digitale Inhalte im Übermaß und allen Formen zur Verfügung stehen. Sie sind in ihrer Wahrnehmung weitaus kurzlebiger, weniger intensiv und unbewusster für Rezipient*innen. Analoge Medien hingegen bieten eine interessante Abwechslung und Tiefe.

 

Architekturfotografie: im Gespräch mit Architekturstudent Frederic

Architekturstudent Frederic (24) aus Charlottenburg interessiert sich besonders für die Dynamik von Menschen in Räumen. Für ihn geht es in der Architektur nicht nur ums Bauen, sondern darum, Räume zu gestalten, die das Leben bereichern. Seine Leidenschaft für Architektur verbindet er mit analoger Fotografie:

„Fotografie hilft mir, flüchtige Momente festzuhalten – sei es die Atmosphäre eines Raums, die Stimmung an einem Ort oder die Bewegungen von Menschen in ihrer Umgebung. Mit der Fotografie kann ich diese Eindrücke bewahren und gleichzeitig meine Sicht auf Architektur aus einer neuen Perspektive schärfen.“

Für Frederic bietet die analoge Fotografie einen Kontrast zum digitalen Überfluss. Der Prozess erfordert mehr Zeit und Überlegung, was jedes Foto bewusster macht. Besonders schätzt er die Kamera seines Vaters. Auch dieser hat bereits Architektur fotografiert:

„Es ist irgendwie cool, diese Leidenschaft weiterzutragen und dabei auch ein Stück seiner Kreativität mitzubekommen.“

Frederic sieht Gründe für die Rückbesinnung in seiner Generation darin, dass junge Menschen nach einem Ausgleich zur ständigen Bildschirmzeit und der perfekten Ästhetik digitaler Sachen suchen.

„Analoge Techniken fühlen sich irgendwie echter an, fast wie eine Rückkehr zu den Basics. Außerdem hat das Analoge so eine einzigartige Ästhetik – diese kleinen Fehler und Unregelmäßigkeiten machen es oft erst richtig interessant.“

 

Hinter der Nostalgie: im Gespräch mit Deutschlehrerin Amily

Amily (25) lebt in Paris und studiert Kunst- und Bildgeschichte. Ihr Interesse für analoge Medien begann mit Einwegkameras aus der Drogerie, die sie mit 13 entdeckte. Als ihr Opa ihr dann seine Kamera schenkte, intensivierte sich ihre Leidenschaft.

Heute kombiniert sie analog und digital, indem sie beispielsweise Filme einscannt oder vorab mit dem Handy experimentiert.

Auch sie nimmt einen Wandel wahr. Vor allem merkt sie an, dass durch die steigende Beliebtheit teilweise gewisse Geräte und Filme von der Industrie wieder produziert werden.

„Ich denke, wir haben durch Handys oft vergessen, wie man besondere Momente bewusst einfängt.“

Außerdem glaubt Amily, dass uns analoge Fotos ein gewisses Gefühl von Melancholie übermitteln und uns an alte Fotos von unseren Familien erinnern.

Amily schätzt an der analogen Fotografie vor allem die Überraschung, die sie birgt: „Wird das Bild so, wie ich es mir vorgestellt habe?“ Für sie geht die Einsendung eines Films im Lab mit einer gewissen Aufregung einher: „Wenn sie mir dann gesendet werden fühle ich mich wie ein Kind an Weihnachten …eines der besten Momente …“.

 

Zwischen Nostalgie und Innovation: im Gespräch mit Filmproduzentin Wilhelmine

Wilhelmine, kurz Willi, arbeitet in einer Filmproduktionsfirma, die sich auf Commercials, Musikvideos und Kurzfilme spezialisiert hat. Zu ihren Aufgaben gehören die Pre-Production, die Organisation von Dreharbeiten und die Entwicklung kreativer Konzepte. Dabei fällt ihr ein zunehmender Fokus auf analoge Filmaufnahmen auf, die digitale Produktionen ergänzen und diesen einen nostalgischen sowie spannungsgeladenen Effekt verleihen.

Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Musikvideo Doktor von PA Sports, bei dem die Produktionsfirma analoge Filmaufnahmen mit der Nutzung von KI kombinierte. Mithilfe von KI wurden verschiedene Effekte erzeugt, wodurch das fertige Video eine gelungene Kombination aus traditionellen und modernen Techniken darstellt.

Willi beobachtet außerdem, dass analoge Fotografie gerade in ihrem Umfeld immer beliebter wird. Für sie liegt ein möglicher Grund darin, dass einem einzelnen Foto dadurch wieder mehr Bedeutung und Wert beigemessen wird.

„Ich glaube, dass wir durch die Möglichkeit, jederzeit Fotos mit unseren Handys machen können, den Wert, den ein Foto hat, gar nicht mehr so wirklich wahrnehmen.“

 

Fusion statt Konfrontation

Die Generation Z verschmilzt analoge und digitale Medien zu einem neuen Ausdrucksmittel, das ihre Kreativität und Identität einzigartig widerspiegelt. In einer Welt voller TikTok-Feeds und Instagram-Reels entdecken junge, kreative Personen die Kameras ihrer Eltern, kaufen Vinylplatten und erstellen handgemachte Zines. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch zwischen digitalem Fortschritt und analoger Nostalgie erscheint, prägt eine neue Ära der künstlerischen Produktion. Die analoge Kunst mag weniger perfekt wirken, doch gerade das macht sie so menschlich und besonders.

 
Text: Anastasia Gräfenstein

 
 


„Zurück in die Zukunft“ – Wie Generation Z analoge Medien neu erfindet

 

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