Das Alumni Magazin des Studiengangs Druck- und Medientechnik


Canva übernimmt Affinity – eine neue Konkurrenzfür Adobe?

 
 

Canva ist eine webbasierte Design-Plattform mit rund 170 Mio. monatlichen Nutzer*innen. Die Anzahl der Nutzenden hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verfünffacht, was ein sehr schnelles Wachstum zeigt. Mit Canva kann man einfach und kostenlos online Designs erstellen, was viel für Social Media genutzt wird. Eine Stärke ist das gut funktionierende gleichzeitige Arbeiten an einem Design. Neben der einwandfreien kostenlosen Variante bietet Canva eine Premiumversion für 12€ monatlich (11/24) an.

Affinity von Serif ist eine Kreativsoftware für Designer. Sie bietet Bildbearbeitung, Illustration und Desktop-Publishing vergleichbar mit Photoshop, Illustrator und InDesign an. Der große Unterschied zu Adobe ist das einzigartige Bezahlmodell. Für 180€ und teilweise nur 90€ erhält man eine dauerhafte Lizenz für alle drei Produkte. Zum Vergleich: Ein monatlich kündbares Abo bei Adobe kostet 99€ pro Monat! Einen ausführlichen Artikel über Affinity ist im Nachdruck Magazin Ausgabe elf auf Seite 24 zu finden.

Angst vor einem Abomodell für Affinity

Nach dem Kauf von Affinity gab es in der Community Befürchtungen, dass nun auch für Affinity ein Abomodell eingeführt wird, da Canva damit viel Geld verdient. Glücklicherweise haben Affinity und Canva nach der Übernahme ein Versprechen veröffentlicht, dass sie „auch in Zukunft unbefristete Lizenzen an[…]bieten“. Hoffen wir, dass sie das nicht vergessen. Darüber hinaus wurde angekündigt und umgesetzt, dass Affinity nun für Schulen und gemeinnützige Organisationen kostenlos und für Universitäten vergünstigt ist. Diese und andere Versprechen sind interessant. Sie lassen erahnen, in welche Richtung sich Affinity entwickelt.

Die neuen Möglichkeiten

Wie geht es nun mit Affinity weiter? Ich möchte optimistisch sein, denn ich glaube, dass diese Übernahme großes Potenzial hat. Die Integration zwischen Affinity und Canva ist der erste große Punkt: Designs in Canva für Affinity-Formate herunterladen und wieder hochladen zu können. Weitere sind die Verwendung aller Pexels und Pixabay Bilder in Affinity, da diese auch zu Canva gehören. Dazu gehört die Einführung der automatischen Hintergrundentfernung mit AI und die allgemeine Beschleunigung der Entwicklung. Aber um den wirklich essenziellen Punkt zu finden, den Affinity angehen sollte, müssen wir uns zuerst Adobe anschauen.

Industriestandard Adobe

Die Adobe Software Suite ist der Industriestandard in der Kreativbranche und das ist der Grund, warum Adobe diese abenteuerlichen Preise verlangen kann. Ein Problem ist, dass Adobe von so vielen Personen benutzt wird und daher fast jeder damit umgehen kann. Daran arbeitet Affinity mit der kostenlosen und vergünstigten Version für Schüler*innen und Student*innen. Das Problem kann schnell gelöst werden, indem Firmen umsteigen und dabei viel Geld sparen. Dass der Umstieg nicht einfach ist, liegt an allen Anwendungen, Skripten, Modulen usw. die an Adobe hängen. Um ein paar Beispiele für InDesign zu nennen: EasyCatalog, von 65 bit, zur Katalogerstellung, MadeToTag zur Erstellung von barrierefreien PDFs und Publikationssysteme. Du willst einen Katalog erstellen? Affinity bietet nicht einmal einen Import aus Excel, geschweige denn die umfangreichen Möglichkeiten von EasyCatalog. Du musst barrierefreie PDFs erstellen, weil es in jeder öffentlichen Ausschreibung verlangt wird? – Affinity kann das nicht. InDesign kann das auch nur sehr umständlich, aber dann besorgst du dir eben MadeToTag von axaio. Deine Firma oder ein Kunde benutzt ein Publishing System, wie alle großen Medienhäuser? – Sorry dann brauchst du InDesign. Diese Beispiele zeigen deutlich, warum Adobe so viel Geld für die Software verlangen kann, denn es gibt in dieser Branche keine Alternative.

Wie kann Affinity das Ökosystem erobern?

Was kann Canva? Online zusammenarbeiten. Was kann InDesign nicht? Online zusammenarbeiten. Wie arbeitet man mit InDesign online zusammen? Man benutzt ein Publishing System. [Was ist ein Publishing System? Infokasten] Sie sind um InDesign herum aufgebaut und nicht zusammen mit Adobe. Aus diesem Grund sind Publishing Systeme sehr komplex, haben oft Probleme und einen großen Wartungsaufwand. Der größte Punkt ist jedoch definitiv der Preis. Publishing Systeme sind wahnsinnig teuer.

Ein Affinity Publishing System von Canva

Was wäre, wenn Canva mit seinem Online-Know-How ein gutes, einfaches und kostengünstiges Publishing System herausbringen und ständig weiterentwickeln würde? Canva hat nicht nur das Wissen sondern auch die finanziellen Mittel dazu. Zunächst einmal bietet Canva bereits eine gut funktionierende Online-Plattform und Affinity gut funktionierende Programme für Bildbearbeitung, Layouts und Illustrationen. Die Online-Plattform Canva ist sehr gut geeignet, damit z.B. Redakteur*innen ohne weitere Programme an Texten arbeiten können. Außerdem ermöglicht das Programm den Export von verschiedenen Medien. Affinity hingegen legt die Grundlage für ein komplexes Layout, das auch Zeitschriften tragen kann. Der große Vorteil ist, dass es vom selben Hersteller kommt und somit enger zusammenarbeiten kann, als die Adobe-Lösungen. Ein ausschlaggebender Punkt ist auch, dass Canva es sich leisten kann, ein solches Publishing System zu einem günstigen Preis anzubieten, unter Anderem weil sie die Zwischenhändler*innen übergehen.

Blühende Landschaften für Publishing Systeme

Wenn Unternehmen vor die Wahl gestellt werden, nur einen Bruchteil der Summe für ein Affinity/Canva Publishing System auszugeben und sich dafür entscheiden, dann trifft man genau den Schwachpunkt von Adobe. Dies sollte dazu führen, dass Adobe seine Preisgestaltung überdenkt. Wenn Publishing Systeme einfach zu bedienen und preiswert sind, könnten sie auch einen viel größeren Markt für sich schaffen und Leute zu Affinity ziehen, insbesondere Leute, die professionell damit arbeiten. Wenn mehr Profis Affinity verwenden, werden axaio, MadeToTag und EasyCatalog ebenfalls für Affinity weiterentwickelt. Dies ist eine einmalige Chance, etwas gegen die Marktdominanz von Adobe zu unternehmen da Adobe immer größere Summen für ihre Aktionäre aus der Adobe Suite herausholen wird – auf Kosten der kreativen Industrie. Die Tatsache, dass Adobe nun mit Adobe Express einen direkten Konkurrenten zu Canva auf den Markt gebracht hat, zeigt, dass Adobe bereits Angst vor Canva hat. Bitte Canva, steck viel Energie und Geld in ein konkurrenzfähiges Publishing System.

Was ist ein Publishing System?

Publishing Systeme sind Softwaresysteme zur Erstellung und Verwaltung von publizistischen Inhalten, insbesondere von Zeitungen, Magazinen, Corporate Publishing Produkten, Websites und Social Media. Wesentliches Merkmal ist die Trennung von Inhalten (Content), Datenstruktur und Design (Layout) mit der Möglichkeit zum verteilten, kollaborativen Arbeiten. Weitere zentrale Merkmale sind die Zugriffssteuerung über ein Gruppen/Rechte/Rolle Konzept, sowie die Steuerung des Workflows über ein Status Konzept.

Unter dem Begriff Publishing System werden sowohl Content Management Systeme (CMS) als auch Redaktionssysteme zusammengefasst. Im Unterschied zu CMS, die sich auf die Publikation und Strukturierung von Websites fokussieren (Webfirst), ist ein Redaktionssystem als Multichannel Publishing Software konzipiert, die alle Kanäle, von Print bis Mobile, bedienen kann (Print First). Albrecht Roßmann, BHT

 
Text: Timo Keimel