Das Alumni Magazin des Studiengangs Druck- und Medientechnik


Die wahren Sieger der Heim-EM

Wie es Check24 und Puma in die Fanzonen Deutschlands schafften

Im Sommer 2024 fand in Deutschland die Fußball Europameisterschaft statt. Leider wurde es nicht das erhoffte zweite Sommermärchen. Aber vielleicht blickst du trotzdem voller Freude auf eine tolle Heim-EM, volle Stadien, bunte Straßen und (endlich mal wieder) coole Trikots von Adidas, dem offiziellen Sponsor der deutschen Nationalmannschaft, zurück. Diese verkauften sich, laut Angaben von Adidas, super. Doch auf den Straßen waren auch andere Trikots zu sehen: Die Shirts von Puma und Check24. Und das, obwohl der Sporthersteller und das Vergleichsportal keine Sponsoren waren. Wie gelang es diesen beiden Marken trotz fehlender Sponsorenverträge, sich während der EM so allgegenwärtig zu präsentieren?

Die Antwort darauf lautet Guerilla bzw. Ambush Marketing. Hierbei werden kreative und überraschende Kampagnen genutzt, um gegen größere Firmen mit höherem Budget im Kampf um unsere Aufmerksamkeit anzukommen. Puma und Check24 nutzten also eine Guerilla Marketing Kampagne, um den Vorteil von Adidas zu minimieren bzw. die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – mit Erfolg. Denn Statistiken ergaben, dass es die beiden Guerillera erfolgreich geschafft haben, die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen.

In diesem Artikel blicken wir gemeinsam hinter die Kulissen und beschäftigen uns damit, was Ambush und Guerilla Marketing sind und was die Strategie von Puma und Check24 war.

Guerilla und Ambush Marketing

Anders als „Marketing” ist „Guerilla” den meisten Menschen ein Fremdwort. Wir verwenden es auch äußerst selten im alltäglichen Sprachgebrauch. Die Bedeutung des Begriffes ist dabei gar nicht mal so weit hergeholt. Übersetzt aus dem Spanischen bedeutet es Kleinkrieg und beschreibt eigentlich Kämpfer*innen, die sich im Kampf oder Krieg gegen stärkere Truppen befinden. Ihre militärische Unterlegenheit versuchen die Guerillakrieger*innen durch Überraschungsangriffe und Sabotageaktionen auszugleichen. Die Grundidee des Guerilla Marketing sind also überraschende, unkonventionelle und flexible Strategien. Auch der Kampf an sich kann als Metapher für den Kampf um unsere Aufmerksamkeit verstanden werden. Da wir durch verschiedene Medien wie Radio, Computer, Smartphones, Fernseher und öffentliche Bildschirme mit Informationen überflutet werden, verringert sich unsere Aufmerksamkeitsspanne für die einzelnen Inhalte. Deshalb nutzen Unternehmen oft kreative Strategien.

 

Die Anfänge des Guerilla Marketing liegen in den 60er-Jahren. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) nutzten Guerilla Marketing, um gegen größere Unternehmen ankommen zu können. Hieraus kristallisierten sich die zwei Hauptziele des Guerilla Marketing: das Erreichen von Originalität und das mit einem möglichst kleinen Budget. Doch ist Guerilla Marketing nicht gleich Guerilla Marketing. Es lassen sich unter anderem vier Arten bzw. Instrumente des Guerilla Marketing unterscheiden: Viral, Sensation, Ambient und Ambush Marketing. Für diesen Artikel ist vor allem letzteres interessant.

Ambush bedeutet aus dem Englischen übersetzt „Hinterhalt” oder „Überfall aus dem Hinterhalt”. Diese negative Konnotation ist durchaus gewollt und beschreibt die Art ziemlich gut. Ambush Marketing wird nicht ohne weiteres zu den provokantesten Formen des Guerilla Marketing gezählt. Bei dieser Strategie werden große Veranstaltungen genutzt, um auf die Produkte, Dienstleistungen oder die Marken selbst aufmerksam zu machen. Dabei ist die Marke oder das Unternehmen kein offizieller Sponsor des Events. Da die Firma keine Sponsoringgebühren zahlen muss, ist Ambush Marketing prinzipiell billiger als das tatsächliche Fördern der Veranstaltung. Das Generieren von Aufmerksamkeit ist hier nur eines von zwei Zielen. Zusätzlich soll oft der offizielle Sponsor bzw. seine Aktivitäten geschwächt werden. So kommt es, dass der „Trittbrettfahrer” und der offizielle Sponsor häufig aus einer ähnlichen Branche kommen. Die Zuschauer*innen haben es so noch schwerer, den Sponsor zu identifizieren. Daraus erklärt sich, warum Ambush Marketing so negativ behaftet ist.

Dabei muss es sich bei dem „Ambusher“ nicht zwingend um ein kleines Unternehmen handeln. 2012 hat zum Beispiel Nike die Bühne der Olympischen Spiele in London genutzt. Die Kampagne „Find Your Greatness”, welche zeitgleich, aber unabhängig von den olympischen Spielen stattfand, zeigte „normale” Menschen beim Anstrengen und Überwinden von Hindernissen, während sie sich sportlich betätigten. Die Rezipient*innen konnten sich gut mit den Personen in den Videos der Kampagne identifizieren, weshalb die Kampagne so erfolgreich wurde. Adidas musste als Sponsor hingegen zwischen 127 und 156 Mio. $ zahlen und war insgesamt weniger erfolgreich mit ihrer Kampagne. An diesem Beispiel sieht man, dass Ambush Marketing nicht immer die „David gegen Goliath” Story sein muss. In dem konkreten Beispiel hat es Nike geschafft sich gegenüber ihrem wohl größten Konkurrenten durchzusetzen.

Der Coup von Check24 und Puma

Auch hier haben wir es mit einem Sportevent zu tun. Im Sommer 2024 trug Deutschland die Fußball-EM der Männer aus. Und auch hier war Adidas der offizielle Partner der UEFA EURO 2024 und stattete zudem die deutsche Nationalmannschaft (sowie andere Nationen) aus. Anders als zu den Olympischen Spielen lief es 2024 überraschend gut für Adidas. Die Trikots waren oft ausverkauft und mussten einige Male nachproduziert werden. Und dennoch, auf den Straßen, in Fanmeilen und in den Stadien waren noch andere Trikots vom Konkurrenten Puma zu sehen. Prominenter war jedoch der Schriftzug auf der Brust dieser Trikots: Check24, in schwarz-rot-goldener Farbe. Das Vergleichsportal nutzte das Sportevent auf clevere Weise, um Aufmerksamkeit und eine größere Kundschaft zu generieren. Insgesamt hat Check24 ungefähr fünf Mio. Trikots „verschenkt”. Im Gegenzug mussten sich Interessierte „nur” die Check24-App herunterladen und ihre Daten eintragen. Finanziell ist dieser Prozess für Personen, die ein Trikot haben wollten, billiger als die offiziellen Trikots von Adidas. Auch die Vermarktung der „kostenlosen” Trikots von Check24 war gut durchdacht. Lukas Podolski bewarb das Portal und das Trikot in mehreren Videos und Werbespots. Damit setzte er dem Check24-Trikot seinen Prüfstempel auf. Als ehemaliger Nationalspieler hat dieser Stempel eine starke Wirkung bei Fußballfans. Des Weiteren trugen die (sozialen) Medien zum Erfolg der Kampagne bei. Durch das Teilen der Aktion und Berichte über die Kampagne verbreitete sich die Kampagne wie ein Lauffeuer.

Die Ambush Marketing Aktion barg allerdings auch gewisse Risiken. Ambush Marketing Kampagnen bewegen sich oft in rechtlichen Grauzonen und können gegen Marken-, Urheber- oder Werberechte verstoßen. Das Trikot von Puma und Check24 durfte also keine Kopie des offiziellen Adidas Trikots sein. Es gelang ihnen, dass Design subtil an ein originales Trikot erinnern zu lassen. Zum Beispiel verwendeten sie einen KI generierten Adler statt des DFB-Logos. Puma und Check24 schafften es bei dem Publikum, die Assoziation zur Europameisterschaft auszulösen. Aus heutiger Sicht gehört Check24 genauso zur EM wie Adidas. Dieser Fall einer Ambush Marketing Kampagne ist deshalb so interessant, weil sowohl der Trittbrettfahrer als auch der eigentliche Sponsor erfolgreich waren.

Wie erfolgreich war die Kampagne wirklich?

Um den Erfolg der Kampagne evaluieren zu können, lohnt sich ein Blick auf die Umfrage-App „YouGov”. Diese stellt Statistiken zu verschiedenen Metriken bereit, wie „Ad Awareness”, „Buzz” und „Consideration”.

Die Ad Awareness beschreibt die Werbewahrnehmung. YouGov zufolge haben im Zeitraum von Anfang April bis Anfang Juli zwei von fünf Deutschen Werbung des Vergleichsportals wahrgenommen (40 %). Einen höheren Wert erlangte Check24 unter all denen, die die Heim-EM verfolgten. Hier gaben 50 % der Deutschen an, die Werbung wahrgenommen zu haben. Auch Puma kann sich über einen Anstieg der Werbewahrnehmung freuen. Sie erlangten Höchstwerte im Vergleich zu den Vorjahren.

Die Metrik Buzz gibt an, wie die Marke assoziiert wird, also eher positiv oder eher negativ. YouGov hat hier die höchsten Werte gemessen, die seit Beginn der eigenen Aufzeichnungen für Check24 verzeichnet wurden.

Auch bei der Consideration, die zeigt, wie viele Verbraucher*innen die Marke für einen Kauf bzw. eine Nutzung in Erwägung ziehen, erreicht Check24 Rekordwerte. Seit Beginn der YouGov-Aufzeichnungen waren die Zahlen nie höher. Über 40 % der Befragten würden die Nutzung von Check24 in Erwägung ziehen.

Außerdem war die Check24-App durch den benötigten Download wochenlang auf Platz eins der Downloadcharts im App Store. Die Gesamtausgaben für die Kampagne belaufen sich wahrscheinlich auf 100 Mio. €. Diese Investition zahlte sich jedoch aus. Check24 ist an eine große Menge Daten gekommen und das wahrscheinlich immer noch günstiger als über andere Wege. Gerade deshalb warnten Verbraucherschützer*innen vor dem Bestellen der vermeintlich kostenlosen Trikots. Anstatt mit Geld, zahlt die Kundschaft hier mit ihren persönlichen Daten. Für Check24 hat sich die Aktion demnach sowohl wegen der Daten als auch der erhöhten Aufmerksamkeit und positiven Assoziation mit der Heim-EM gelohnt.

Weitere Beispiele von Ambush Marketing

Interessanterweise war die erste Ambush Marketing Aktion auch an eine Sportveranstaltung geknüpft. Wieder einmal ging es um die Olympischen Spiele. Das Technologieunternehmen Fuji gewann 1984 die offiziellen Sponsorenrechte für die Olympischen Spiele in Los Angeles, USA. Der Konkurrent Kodak musste sich zunächst geschlagen geben. Doch wirkte Kodak seinem Rivalen entgegen, indem er die ABC-Übertragung der Spiele bzw. des US-Leichtathletikteams sponserte.

Ein Beispiel für eine misslungene Guerilla Marketing Kampagne stellt die Protestaktion von Greenpeace dar. Hierbei handelte es sich jedoch um eine illegale Aktion, die negative Konsequenzen mit sich trug. Die NGO wollte Volkswagen, dem Sponsor der EM 2021, mit einer waghalsigen Aktion zu einem schnelleren Ausstieg aus Verbrennungsmotoren auffordern. Geplant war, dass ein elektrisierter Gleitschirmflieger über ein Stadion fliegt und einen leichten Ball auf das Feld sinken lässt. Auf dem Ball stand ein Text, der gegen VW gerichtet war. Ein Defekt zwang den Piloten jedoch zu einer Notlandung auf dem Feld, welche zwei verletzte Personen zur Folge hatte. Zusätzlich zu einer Geldstrafe für den Piloten folgte Kritik an der NGO. Dieses Beispiel soll dafür sensibilisieren, dass Aktionen nicht immer nach Plan ablaufen und negative Konsequenzen nach sich ziehen können.

Fazit Guerilla und Ambush Marketing

Check24 und Puma sind das ideale Beispiel für eine erfolgreiche Guerilla bzw. Ambush Marketing Kampagne. Doch auch mit einem kleineren Budget, als es Check24 in dem Fall hatte, lässt sich auf überraschende und spannende Weise die Aufmerksamkeit der Zielgruppe erreichen. Eine schnelle Suche im Internet verrät, dass viele verschiedene Marken und Unternehmen diese Aktionen für sich entdeckt haben. Vielleicht erinnerst du dich bei dem nächsten Großevent an diesen Artikel und entdeckst eine weitere Ambush Marketing Kampagne.

 
Text: Mohammad Toubasi
 
 
 

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